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Jetzt ist es raus.

Wenn die Antwort Schweigen ist

30.05.2011


Die einzige Möglichkeit, Menschen zu motivieren, sei die Kommunikation, sagte einst der legendäre Chrysler-Manager Lee Iacocca. Der Mitarbeiter-Dialog hat sich daher in der modernen Führungskultur längst als Selbstverständlichkeit etabliert. Was aber, wenn alle Angebote zur Meinungsäußerung und Mitbestimmung mit Schweigen beantwortet werden?

Auf einer Veranstaltung mit 35 Teilnehmern begegnete es mir unlängst wieder: das Schweigen der Mitarbeiter. Das Spannende daran: Es ging gar nicht um das gesprochene Wort, sondern zunächst nur um symbolische Kommunikation. Es sollte lediglich per Handzeichen über eine Maßnahme abgestimmt werden - Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung. Das Ergebnis: Wenige stimmten dafür, wenige dagegen und keiner enthielt sich. Eine paradoxe Situation. Auf Nachfrage bekundeten zögerlich einige Mitarbeiter, sie fühlten sich von der Entscheidung nicht betroffen beziehungsweise es käme ihnen auf die Umsetzung an. 
Das sind, seien wir ehrlich, Scheinargumente.

Im angloamerikanischen Raum sprechen Organisationsberater mittlerweile vom sogenannten "Silencing", der "Organizational Silence" oder dem "Voice Problem". Schweigen beginnt häufig mit dem Erkennbarwerden von Unterschieden: Ich merke, dass ich anderer Meinung bin, und verschweige das lieber, da ich fürchte, vom anderen oder der Gruppe nicht mehr anerkannt beziehungsweise ausgegrenzt zu werden.1) Schweigen hat daher die Funktion, Konflikte zu vermeiden.

Welche Gründe sind nun für das oben genannte Abstimmungsverhalten ausschlaggebend?

Möglich, dass die Mitarbeiter es nicht gewohnt sind, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Möglich auch, dass die Mitarbeiter Angst haben, ihr Abstimmungsverhalten könnte ihnen negativ ausgelegt werden. Letztere - zugegebenermaßen gern eingenommene - Perspektive könnte eine Rolle spielen, denn es waren Führungskräfte im Raum. Allerdings hätten sich die Mitarbeiter ja auch enthalten können. Eine Studie von James R. Detert, Ethan R. Burris und David A. Harrison unter 500 Teilnehmern zeigt darüber hinaus, dass Mitarbeiter weit seltener schweigen, weil sie Konsequenzen fürchten, als vielmehr, weil sie ihre Zeit nicht verschwenden möchten (mehr als 25 Prozent der Befragten). Das heißt diese Mitarbeiter haben aufgehört daran zu glauben, dass ihre Meinung irgendetwas am gegenwärtigen Zustand ändert.

Viele Unternehmen und Manager befinden sich in einer vertrackten Situation: Beschlossenes und bereits vollmundig Verkündetes, darunter hoch beschworene Veränderungsansätze, wurden nicht in die Tat umgesetzt. Lippenbekenntnisse sind an der Tagesordnung, und schlimmer: Wenn diese keine wären, würde das auch keiner mehr merken. Die Mitarbeiter kokettieren mit Veränderungsresistenz: "Ich bleib einfach hier stehen. Das dauert ja nicht lange, bis alle anderen wieder angerannt kommen. Dann bin ich ganz vorne."

Instrumentalisierung verhindern
Je länger das so geht, desto gefährlicher wird es. Denn eine schlimme Folge daraus kann sein, dass Mitarbeiter lernen, ihr Schweigen als taktisches Instrument zu nutzen. Was sie wirklich denken, wird dann nur noch informell untereinander ausgetauscht. Die Führungskräfte bleiben außen vor. Wichtige Informationen erreichen sie nicht mehr.

Das Schweigen brechen
Um im oben genannten Fall doch noch ein repräsentatives Abstimmungsergebnis zu bekommen, reicht ein augenzwinkernder Hinweis: "Sie haben jetzt während der Gruppenarbeit Zeit, sich eine Meinung zu bilden. Danach versuchen wir das noch mal von vorn." Damit ist das eigentliche Problem natürlich nicht gelöst, aber die Gruppe könnte Folgendes gelernt haben: "Meine Meinung ist vielleicht doch gefragt, und es ist in Ordnung, meine Ansichten zum Ausdruck zu bringen."

Generell hilfreich: glaubwürdige Kommunikation
Glauben Sie noch an den Weihnachtsmann? Nein? Ihre Mitarbeiter auch nicht. Deswegen sollten Sie ihnen auch nicht den Weihnachtsmann vormachen. Besser ist ein ehrliches "Nein, wir werden dieses und jenes aus folgenden Gründen nicht tun". Die heutigen Mitarbeitermedien favorisieren bedauerlicherweise einen positivistischen Schreibstil. Nicht nur deshalb: Setzen Sie bitte auf persönliche, direkte Kommunikation, wann immer es möglich ist. Schaffen Sie einen Rahmen, der das persönliche Gespräch fördert (Kaffeeklatsch, Thekengespräche) und gönnen Sie sich einen Moderator, der auch schwierige Themen ansprechbar und bearbeitbar machen kann (zum Beispiel das Schweigen).

Verzicht auf Appelle und Wortergüsse
Führungskräfte reagieren auf Schweigen häufig mit umso mehr gutgemeinter kommunikativer Aktivität, denn irgendwie muss diese Leere ja gefüllt werden. Da kann es dann auch mal passieren, dass eine lang ersehnte Wortmeldung zu einer umso längeren und ausschweifenden Antwort führt. Jeder im Raum wird sich nun hüten, nur auch noch eine weitere Frage zu stellen. Wer will schon so viel Beachtung? Außerdem gebietet es allein der Teamgeist, die anderen nicht weiter vom Essen und Trinken abzuhalten.

Appelle sollten in solch einer Situation ausbleiben. Das übliche "Ich wünsche mir, dass Sie sich alle heute einbringen" erzeugt bei den Mitarbeitern höchstens eine Hab-Acht-Stellung und die Flucht in die hinteren Reihen. 
Reagieren Sie stattdessen auf das, was Sie sehen und spüren, aber nehmen Sie nicht das vorweg, was Sie befürchten oder im negativen Sinne erwarten. Stellen Sie ruhig mal eine Frage in die Runde und halten Sie das Schweigen eine Weile aus. Sie können die Teilnehmer auch verdeckt Karten schreiben lassen: "Was würde uns helfen, mehr Fragen zu stellen und/oder in einen Dialog zu kommen?" Lesen Sie die Karten im Anschluss vor. Mit einem bisschen Glück ist eine dabei, die polarisiert und Schwung in die Diskussion bringt. Auf keinen Fall sollten Sie die Karteninhalte bewerten! Nehmen Sie die Beiträge interessiert auf und überlegen Sie gegebenenfalls auch im Nachgang, was Sie damit anstellen können. Wenn gar nichts hilft, diskutieren Sie lieber beim Essen und an der Theke. Das bringt Sie dem Thema Dialog und Ihren Mitarbeitern jetzt vermutlich am nächsten.

Vertrauen schaffen
Vertrauen für Sie entsteht, wenn Sie sich für jemanden verwundbar machen. Reinhard K. Sprenger hat das in seinem Buch "Vertrauen führt" schön auf den Punkt gebracht: Stellen Sie sich vor, Sie sehen auf dem Flohmarkt eine tolle Statue. Leider haben Sie aber kein Geld dabei. Der Verkäufer beobachtet Ihr Hadern und sagt: "Kein Problem - ich gebe Ihnen meine Kontonummer und Sie überweisen mir einfach das Geld." Sie sind baff. Und was ist das Erste, das Sie tun, sobald Sie nur können? - Genau, Sie überweisen. Vertrauen verpflichtet, insbesondere dann, wenn Sie ins Risiko gehen, zum Beispiel Informationen teilen, sich zeigen, sich verwundbar machen.

Bedingungen ändern:
Sie haben sich das Schweigen redlich verdient. Kaum merklich haben Regeln (geschriebene und ungeschriebene) und Verhaltensweisen Einzug gehalten, die das Schweigen noch unterstützen. Zynische oder desillusionierte Führungskräfte, die überzeugt sind, dass ihre Mitarbeiter sowieso nie sagen, was sie denken, sind nicht selten. Wenn Sie das zu Ihrem Credo machen, wird es garantiert schlimmer. Häufig versuchen Manager, die Schweigekultur zu verändern, indem sie Mitarbeiter befördern, die sich noch trauen, den Mund aufzumachen. Arbeiten Sie lieber an den Bedingungen und Foren, die es Mitarbeitern ermöglichen, "die Stimme zu erheben". Die meisten Mitarbeiter haben etwas zu ihren eigenen Arbeitsabläufen zu sagen, aber weniger zu den großangelegten Projekten. Holen Sie diese dort ab, gehen Sie zu ihnen. Dann werden sie auch bereit sein, über die großen Dinge zu sprechen.

Schweigen sollte man grundsätzlich ernst nehmen und mit den Mitarbeitern thematisieren. Geben Sie dem Raum, verhindern Sie aber die Instrumentalisierung.

Diese Ansätze sollten Ihnen helfen, einige Herausforderungen im Mitarbeiter-Dialog zu meistern und von Ihren Gesprächspartnern echte und konstruktive Antworten zu bekommen.

Silvia Riesenkönig

1 vgl. Harvard Business Review; Leslie Perlow and Stephanie Williams: Is Silencing Killing Your Company?, May 2003

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